Kyringue`i Aty Neovanga
Ausgangssituation
Für die Mbya-Guaraní ist die rechtliche Situation heutzutage sehr schwierig. Gerade deshalb war es dem Cazique („Häuptling“) aus Ñamandu besonders wichtig, dass die Kinder aus seiner und den umliegenden Gemeinschaften auch die Möglichkeit haben, zur Schule zu gehen. Aus diesem Impuls heraus wurde 2015 die `Escuela del Parque` gegründet. Eine staatliche Schule, vier Stunden Fußmarsch von der nächsten Grundschule entfernt. Finanziert werden vier Lehrer, die sieben Klassen unterrichten müssen. Neben den Schulkindern kommen auch alle kleineren
Kinder in die Schule, da die größeren Geschwister sich traditionellerweise um sie kümmern und es in der Schule auch ein Mittagessen gib
Die Schule ´Escuela Del Parque` erhält Unterstützung von der Organisation „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners“, indem sie jedes Jahr Freiwillige dorthin schicken. Die Direktorin bat uns Freiwillige darum, einen Kindergarten zu gründen. Gerne auch unter Berücksichtigung der Waldorfpädagogik.
Zur Geschichte: Was ist das Beste für die Kinder?
Die Frage, was wohl das Beste für die Kinder ist, begleitete uns seit dem allerersten Tag und ist immer noch nicht endgültig beantwortet. Angefangen haben wir draußen und hauptsächlich mit der physischen Pflege der Kinder, deren Körper in der Überlappung des harten Lebens im Dschungel und den krankmachenden Einflüssen der modernen Zivilisation leiden. In dieser extremen Situation war es uns Kindergärtnern ein großes Anliegen, den Kindern eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen, indem wir ihnen einen
geschützten Raum und eine sichere Atmosphäre in der Schule bereiteten.
Nach vier Monaten harter Arbeit war der Kindergartenraum soweit eingerichtet, dass die Kinder vormittags auch teilweise drinnen verbringen konnten. Der Raum führte auch dazu, dass der zeitliche Tages-und Wochenrhythmus richtig Gestalt annahm, obwohl er weiterhin mit jedem gelernten und erfundenen Lied wächst.
Auf der Suche nach der Mbya-Kultur
Die kleinen Kinder sprechen noch kein Spanisch sondern Mbya-Guarani. Deshalb war auch von Anfang an klar, dass der Kindergarten nicht allein von Freiwilligen getragen werden kann, sondern dass Menschen aus der Gemeinschaft als Kindergärtner arbeiten müssen. Nach einem eifrigen Spendensammeln konnten wir Diego Escobar und Myriam Ayala als Kindergärtner einstellen. Doch auch für sie war es nicht einfach
zu überlegen, wie sie die Kulturelemente der Mbya in einer so anderen Form wie einem Kindergarten entdecken können. Das vor-
läufige Resultat sind Mbya Märchen und Lieder, neue übersetzte Sprüche, die Begrüß- ung der Götter, traditionelle Handarbeiten aus Grassamen etc., Bogenschießen und Tanzen.
Wie geht das: Waldorf im Dschungel?
Auf der Suche nach der besten Methode, um die Mbya-Kinder auf eine schwierige und unsichere Zukunft „vorzubereiten“, begeisterten wir uns immer mehr für die Waldorfpädagogik. Kinder so zu erziehen, dass sie möglichst freie, selbstbestimmte und kulturschaffende Menschen werden können, ist genau das, was dem aussterbenden Volk der Mbya neu Kräfte geben kann. In vielen Gesprächen mit unterschiedlichen Mbya erkannten wir oft Übereinstimmungen mit anthroposophischen Herangehensweisen und oft auch nicht. Ein perfektes System des Mbya-Waldorf konnten wir nicht entwickeln und wollen wir auch nicht, denn jedes Jahr stoßen neue Kinder mit ihren Herausforderungen zu uns. Diego Escobar, Miriam Ayala und die jeweiligen Freiwilligen jedes Jahres haben daher eine große Verantwortung, trotzdem immer den richtigen Weg zu finden.